Murmelmotor (05.2009 und 04.2023)
Der einfachste Stirlingmotor bei dem das Prinzip der Heißluftmaschinen
sehr anschaulich dargestellt werden kann, ist der "Murmelmotor" von Dr.
Wilfried Schlagenhauf. Als Verdränger arbeiten Glaskugeln (marble
displacer) in einem drehbar gelagerten Reagenzglas, an dem über eine
Schlauchverbindung der Arbeitskolben angebracht ist.
Der Arbeitskolben hebt das Reagenzglas bei Erwärmung an (Druckerhöhung
im System) und und die heiße Luft wird über die sich bewegenden
Glaskugeln in Richtung Arbeitskolben geschoben, wo sie sich abkühlen
kann, d.h. das Reagenzglas senkt sich (Druckminderung im System). Jetzt
bringen die Glaskugeln die abgekühlte Luft wieder in den Heizbereich,
der Kolben wird wieder angehoben und das Spiel beginnt von vorne.
Der "Motor" ist der sich auf- und abwärtsbewegende Kolben.
Der Schlagenhauf-Motor ist schwieriger in Gang zu setzen, als es die
Darstellung vermuten läßt. Bei diesem Motor ist es wichtig,
dass der Drehpunkt des Reagenzglases einfach horizontal und vor allem vertikal
verstellt werden kann. Als Arbeitskolben sind Glasspritzen 5 ml geeignet,
wenn als Reagenzglas eines mit 160 x 16 mm zum Einsatz kommt.
Das zu verdrängende Luftvolumen im Reagenzglas muss größer
sein, als das Luftvolumen das sich beim Verschieben des Arbeitskolbens
ergibt,
d.h. der Innendurchmesser Reagenzglas sollte größer sein,
als der Innendurchmesser der Glasspritze!
Die Fischer Pneumatic-Ventile funktionieren zwar auch, sind aber viel
schwerer in Auf- und Abwärtbewegung zu bringen, da deren Reibung meist
zu hoch ist.
Bei der Glasspritze darauf achten, dass der Kolben leichtgängig
"fluscht".
Zu Beginn des Experimentes ist es ratsam, den Arbeitskolben etwas anzuheben
und dann die Schlauchverbindung zu schließen, so dass sich im Arbeitskolben
bereits ein Luftpolster befindet. Hierbei ist der Drehpunkt so zu verstellen,
dass die Kugeln in Richtung Arbeitskolben rollen. Wird jetzt die Flamme
an das Reagenzglas gebracht, dann muss sich nach einer gewissen Zeit (ca.
2 Min.) der Arbeitskolben anheben und das "Spiel" beginnt, evt. ist die
Höhenlage des Reagenzglases zu korrigieren, bzw. den Schlauch nochmal
abziehen und den Arbeitskolben anheben.
Mit etwas Fingerspitzengefühl bekommt man das "Motörchen"
zum Laufen. Wichtig ist auch, dass die Kugeln sauber rollen.
Hebt der Arbeitskolben das Reagenzglas nicht, dann ist das System undicht
oder die Reibung des Arbeitskolbens zu groß oder die Flamme zu klein.
Nach einiger Aufwärmzeit ist eine Korrektur der Höhenlage
des Drehpunktes vorzunehmen.
Dieser Motor wird ohne Nachjustierung nicht längere Zeit (mehr
als 5 Min.) durchlaufen können, denn durch geringe Undichtigkeiten
des Systems und die allgemeine Erwärmung tritt eine Verschiebung des
optimalen Arbeitspunktes ein.
Hier das Bild eines besonders großen Motores (Reagenzglas
28 mm Ø und Alukugeln), der mir von einem Modellbauer zur Begutachtung
geschickt wurde. Er hatte das Problem mit der richtigen Justierung wie
oben angesprochen und nach ein bisschen "Fummeln" war der Motor startbereit.
Man kann das Experiment auch so durchführen,
dass man an ein Reagenzglas 160x16 gefüllt mit 5 Keramikkugeln direkt
über eine Schlauchverbindung z.B. eine Glasspritze 10 ml oder kleiner
anschließt. Die Glasspritze darf nicht zu groß sein, sonst
bewegt sich der Kolben nicht genügend. Man hält das Reagenzglas
waagerecht und heizt eine Weile auf. Nun bewegt man das Reagenzglas so,
dass die Kugeln hin- und herrollen können und siehe da (Video),
der Kolben bewegt sich synchron zu den Kugeln um 90° phasenverschoben.
Die 90°-Phasenverschiebung ist besonders gut zu erkennen, wenn
die Kugeln in Richtung Brenner rollen und damit Unterdruck im System entsteht.
Im umgekehrten Fall (bei Druckerhöhung) ist die Phasenverschiebung
wesentlich kleiner, sogar fast Null.
Erklärung: wenn die Kugeln in Richtung Brenner rollen wird
die heisse Luft in Richtung Arbeitskolben geschoben und kann sich abkühlen,
was Druckminderung bedeutet ( Kolben bewegt sich Richtung Brenner) , umgekehrt,
wenn die Kugeln in Richtung Arbeitskolben rollen wird die kältere
Luft in Richtung Brenner zum Aufheizen geschoben, was zur Druckerhöhung
im System führt (Kolben bewegt sich entgegengesetzt)!!
Nun ersetzt man die Kugeln durch einen Verdrängerzylinder und
koppelt Arbeitskolben und Verdränger um 90° versetzt über
ein Gestänge an ein Schwungrad und schon ist der Stirling fertig.
Ja, ja die praktische Ausführung ist etwas komplizierter, dennoch
dürfte spätestens jetzt, auch dem Laien, die Funktion eines
Stirlingmotors etwas verständlicher sein. |
Der Gedanke liegt nahe,
die Bewegung des Kolbens an ein Schwungrad zu koppeln ( sieht halt mehr
nach einer Maschine aus).
Versuche für solche Motoren gibt es, haben aber den Nachteil,
dass die Drehung des Schwungrades nicht gleichmäßig ist. Selbst
zwei gegenläufige Reagenzgläser, um 180° versetzt an ein
Schwungrad gekoppelt, können das auch nicht so richtig ausgleichen.
Eine Anregung das zu verbessern, gab es mal wieder im Internet, nämlich
über ein relativ schweres Schwungrad mit Getriebe die ruckartige Schwungradbewegung
zu minimieren.
Ich habe mich an die Arbeit gemacht und Teile meines thermoakustischen
Motors direkt übernommen.
Das Pleuel ist starr mit dem Arbeitkolben verbunden, so dass sich das drehbar
gelagerte Reagenzglas über eine Exzenterscheibe auf- und abwärts
bewegen kann. Ein Getriebe 1:5 aus dem Flugmodellbau ist an das Schwungrad
gekoppelt. Der Aufbau erfolgte zunächst wieder in bewährter Art
aus Holz.
Ein Video zeigt die
grundsätzlich funktionierende Arbeitsweise.
Das Ergebnis dieses Motors war zunächst für mich etwas
ernüchternd, da die Maschine immer mal zwischendurch stehen
blieb, weil z.B. die Glaskugeln nicht sauber rollten.
Ich habe die Geometrie etwas verändert, die Glaskugeln überprüft
und das Schwungrad mit Bleistreifen auf 200g erhöht.
Jetzt "marschiert" der Motor einwandfrei.
Wer dieses Motörchen nachbauen will, muss schon einigermaßen
präzise arbeiten.
Das Getriebe und das Schwungrad müssen kugelgelagert sein (4 Stück).
Das Pleuelkugellager ist nicht unbedingt notwendig. Das Getriebe selbst
darf in keiner Stellung klemmen! Die Kugeln werden auf etwa gleichen Durchmesser
geprüft, ca 12,5 mm und sollten alle gemeinsam gleichmäßig
rollen.
Ich habe erst einmal Keramikkugeln SA50 Umarex (gibt es bei http://www.target-sport.de)
mit einem Durchmesser von ~ 12,7 mm. ausprobiert. Hierr kann man sich von
72 Kugeln die passenden aussuchen. Das Reagenzglas hat einen Innendurchmesser
von ca 13,5 mm und es sollte noch genügend Luft zwischen Kugel und
Glaswand bleiben, daher sollten die Kugeln nicht mehr als 12,7 mm Durchmesser
haben. Es hat sich aber nach mehreren Laufversuchen herausgestellt, dass
die Kugeln durch das Aufeinanderprallen Risse bekommen und sich zerlegen.
Also was tun, im Internet recherchiert und bei www.supermagnete.de Stahlkugeln
(nicht magnetisch) gefunden mit einem Durchmesser von 12,7 mm. Diese rollen
sehr sauber. Besser wären noch Alukugeln, falls man diese mit diesem
Durchmesser überhaupt bekommt.
Die Höhenlage von Drehpunkt Zylinder und Mittelpunkt Exzenterscheibe
ist nicht, wie man vermuten könnte identisch, sondern der Drehpunkt
des Zylinders liegt ca. 5 mm tiefer, was das Laufverhalten meines
Motors verbessert hat. Ob das grundsätzlich so besser ist oder mit
der unterschiedlichen Phasenverschiebung bei Druckerhöhung bzw.
bei Druckminderung im System ( siehe oben) oder mit dem Aufbau
(Hub, Getriebeübersetzung, Schwungrad, Geometrie) zusammenhängt,
ist offen.
Auch bei diesem Motor ist zu beachten, dass der Kolbendurchmesser kleiner
ist als der Innendurchmesser des Reagenzglases. Ist dies nicht der Fall,
dann ist der Hub des Kolbens nicht groß genug.
Die Kombination Reagenzglas 160x16 und 10 ml Glasspritze war scheinbar
noch im zulässigen Bereich (Innendurchmesser Reagenzglas ~ Kolbendurchmesser).
Obwohl der Motor zu Beginn einwandrei funktioniert hat, wollte er
jetzt nach Jahren (2023) nicht mehr seinen Dienst tun. Ich habe
den Motor auf 5 ml Glasspritze umgebaut und Aufatmen, er geht wieder.
Wichtig ist, dass das Regenzglas mit dem Teflon dicht in den Zylinder
gepresst wird. Kleben wäre besser., ist aber nicht servicefreundlich.
Einfacher Test, ob alles dicht ist: ->Glaskolben in den Zylinder drücken
und dann muss er auf gleiche Höhe zurückfedern.
Dieser Motor kann in beide Drehrichtungen betrieben werden,
aber nur, wenn die konstruktive Auslegung stimmt.
Der Murmelmotor ist ein Stirlingmotor nach dem Ringbom-Prinzip,
da der Verdränger (die Murmeln) keine starre Verbindung zum Arbeitskolben
hat, und damit ist die Drehrichtung nicht festgelegt.
Ein Modellbauer zeigte mit ein Video eines Murmelmotors mit Getriebe,
der augenscheinlich in beide Drehrichtungen lief. Dies ist durch
schnellere Bewegungen der rollenden Kugeln aus der Mittenlage heraus möglich,
d.h. die Kugeln rollen nicht mehr komplett im Reagenzglas hin und her,
sondern machen aus der Mittenlage des Reagenzglases kleine Bewegungen,
die ausreichen, um die Luft vom warmen in den kalten Bereich und umgekehrt
zu verschieben. Ob dieser Zustand stabil bleibt, ist eine andere Frage.
Stabile Drehrichtungsänderungen sind nur bei bestimmten bauartbedingen
Heißluftmotoren, z.B. Manson-Motor, thermokustischer Motor, Ringbom-Stirling
möglich.
Dennoch konnte ich später auch bei meinem Motor feststellen,
dass er tatsächlich mit größerer Geschwindigkeit in der
entgegengesetzten Richtung dreht und dies problemlos 30 Minuten und länger
(siehe 2. Video unten). Wird der Motor jedoch in der Drehzahl geändert
z.B.durch Reibung oder von Hand, dann fällt er in die ursprüngliche
langsame bevorzugte Drehrichtung zurück.
Der Effekt mit der höheren Geschwindigkeit ist ähnlich
wie beim Niederertemperaturstirling
mit Ringbom-Magnet-Steuerung.
Große Überraschung: Der Motor dreht ohne Flamme
mit der größeren Geschwingdigkeit fast 3,5 Minuten weiter. Die
aufgeheizten Kugeln lassen einen weiteren Betrieb zu. Der Arbeitsbereich
bleibt immer kühl, da der Heizbereich weit vom Kühlbereich entfernt
ist. |
Die endgültige Ausführung
Video1 normale
Drehrichtung Video2andere
Drehrichtung
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